Wissenschaftsteam der Universität Paderborn und der Hochschule für Musik Detmold untersucht historische Technologien des Singens

Interdisziplinäres Forschungsprojekt wird mit einer Mio. Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt

„Technologien des Singens“ heißt ein neues Forschungs­vorhaben, in dem das gemeinsame Musikwissenschaftliche Seminar der Universität Paderborn und der Hochschule für Musik Detmold und das Erich-Thienhaus-Institut der Hochschule für Musik Detmold künftig eng zusammenarbeiten werden. Die beiden Institute haben einen gemeinsam gestellten Antrag von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt bekommen. Ihnen stehen nun eine Million Euro für insgesamt 36 Monate zur Verfügung. Beteiligt an dem Projekt ist eine Arbeitsgruppe  um drei Hauptakteure: Prof. Dr. Rebecca Grotjahn, Professorin für Musikwissenschaft und geschäftsführende Leiterin des Musikwissenschaftlichen Seminars, Prof. Dr.-Ing. Malte Kob, Professor für Theorie der Musikübertragung am Erich-Thienhaus-Institut und Leiter von Studiengängen zur Musikalischen Akustik sowie die Musikwissenschaftlerin Dr. Karin Martensen, die als Projektleiterin für die Koordination, wissenschaftliche Kommunikation und Organisation verantwortlich ist.

In dem Projekt soll der Zusammenhang zwischen Körper-, Gesangs- und Mediengeschichte erhellt werden. Dabei werden historische Tonaufnahmen von Stimmen unter klanglich-akustischen Aspekten neu bewertet. „In der Vergangenheit bildeten historische Aufnahmen von Stimmen die Basis für eine bestimmte Vokalpraxis, was Auswirkungen auf den Marktwert des Interpreten hatte“, schildert Karin Martensen. „Der große Tenor Enrico Caruso hat sein Engagement an die Metropolitan Opera ausschließlich seinen Tonträgeraufnahmen zu verdanken.“ Diese Erkenntnis wird nun zusätzlich um den Aspekt der Klangübertragung ergänzt. „Durch die Entwicklung von technischen Möglichkeiten der akustischen Klangaufnahme und -wiedergabe, angefangen mit Phonograph und Grammophon, blieb auch die technische Einflussnahme auf die Klangqualität der Stimme nicht aus“, führt Malte Kob aus. „Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Übertragung des Stimmschalls über den Schalltrichter und die Nadel eines Gerätes sich unweigerlich auf den Klang der Stimme auswirkten. Somit liegt die Vermutung nahe, dass die Konstitution des Gerätes einen direkten Einfluss auf das Klangerlebnis ausübt und neben störenden Artefakten möglicherweise sogar eine Klangverbesserung erzielen konnte.“ Historische Gesangsaufnahmen sind damit auch Quellen für eine durch die Bedingungen des Mediums geprägte Ästhetik. „Mit der Annahme, dass der Mediendiskurs eng mit dem Körperdiskurs verwoben ist, untersuchen wir, inwiefern das neue Medium ,Tonaufnahmeʻ Auswirkung auf Gesangskarrieren, auf Gesangsunterricht und auf Gesangsästhetik hatte“, erklärt Rebecca Grotjahn. „All das kann uns helfen, zu klären, welchen Einfluss die Tonaufnahme auf das Singen und damit auch auf den Körper hatte“, so sind sich alle Beteiligten einig.

Das Team erhält personelle Unterstützung durch drei neue Doktorandenstellen in der Musikwissenschaft sowie eine weitere in der Musikalischen Akustik. Weitere Stellen des Projektes werden in Kürze auf den Stellenmärkten der jeweiligen Institutionen   ausgeschrieben. Innerhalb von Symposien sollen bald erste Ergebnisse zusammengetragen und diskutiert werden. Münden soll das Vorhaben in einer Buchpublikation, Fachartikeln sowie Software zur Modellierung des Klangs von Stimmaufnahmen, die dann der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.

Weitere Informationen:
www.hfm-detmold.de
www.muwi-detmold-paderborn.de 
www.uni-paderborn.de

Foto: Auf der Suche nach dem historischen Klang der Stimme: Prof. Dr. Rebecca Grotjahn, Dr. Karin Martensen und Prof. Dr.-Ing. Malte Kob vor einer akustischen Klanganalyse eines Edison-Phonographen. © HfM Detmold/Plettenberg
Foto: Auf der Suche nach dem historischen Klang der Stimme: Prof. Dr. Rebecca Grotjahn, Dr. Karin Martensen und Prof. Dr.-Ing. Malte Kob vor einer akustischen Klanganalyse eines Edison-Phonographen. © HfM Detmold/Plettenberg