Neue Weichenstellungen für industrierelevante molekulare Simulation

Über Anwendungsgebiete und strategische Herausforderungen für Computational Molecular Engineering (CME) diskutierten Wissenschaftler deutscher Universitäten auf der CME-Arbeitstagung am 26. Februar 2009 in Kaiserslautern. "Die molekulare Simulation hat sich zu einer solchen Reife entwickelt, dass sie über die Grundlagenforschung hinaus zunehmend für den industriellen Einsatz relevant wird. Auf der Grundlage weniger Messungen ist es möglich, aussagekräftige Modelle zu entwickeln, die viele aufwändige oder gefährliche Experimente einsparen", erklärt Prof. Dr.-Ing. Jadran Vrabec vom Lehrstuhl für Thermodynamik und Energietechnik (ThET), der gemeinsam mit Kollegen aus Kaiserslautern und Stuttgart die Arbeitstagung initiiert hat. Ergebnis dieser Tendenz ist die Herausbildung von CME als Hilfsmittel und Teildisziplin der Verfahrenstechnik und Werkstoffkunde.

Der Schwerpunkt liegt dabei zunächst auf Phasengleichgewichten und thermodynamischen Zustandsgrößen von Fluiden. Traditionell werden dafür Zustandsgleichungen mit zahlreichen freien Parametern angepasst. Molekulare Modelle dagegen kommen mit wenigen physikalisch begründeten Parametern aus und sind dadurch zuverlässiger auf Größen und Zustandsbereiche anzuwenden, die experimentell nur schwer zugänglich sind. Die chemische Industrie hat die Bedeutung molekularer Methoden in diesem Bereich inzwischen erkannt. Der Gastgeber der Arbeitstagung, Prof. Dr.-Ing. Hans Hasse (TU Kaiserslautern), wurde 2007 gemeinsam mit Prof. Vrabec für die hohe Zuverlässigkeit molekularer Simulationen von der Interessengemeinschaft IFPSC ausgezeichnet, an der sich die Konzerne Dow Chemical, DuPont, ExxonMobil und 3M Company beteiligen.

Mit kurzen Beiträgen stellten die Teilnehmer ihre aktuellen Entwicklungen vor. Sie untersuchen neben Fluideigenschaften auch Prozesse, in denen experimentell schwer untersuchbare Wechselwirkungen vorherrschen, wie Strömungen in Nanokanälen und das Aufquellen von Hydrogelen. In strategischer Hinsicht sind Arbeitsgruppen an verschiedenen Standorten zum gleichen Ergebnis gekommen: als wachsender Forschungsbereich ist CME darauf angewiesen, an der Einheit von Forschung und Lehre festzuhalten und um das Interesse der Studierenden zu werben. So bietet Dr.-Ing. Martin Bernreuther an der Universität Stuttgart die Vorlesung "Molekulardynamik und Lattice-Boltzmann- Methoden" an, Prof. Vrabec und Prof. Hasse lehren "Molekulare Thermodynamik" an ihren Hochschulen.

Foto: Teilnehmer an der CME-Arbeitstagung (v.l.n.r.): Engin, Deublein, Merker, Miroshnichenko, Walter, Prof. Vrabec, Guevara, Dr. Bernreuther, Horsch, Prof. Hasse
Foto: Teilnehmer an der CME-Arbeitstagung (v.l.n.r.): Engin, Deublein, Merker, Miroshnichenko, Walter, Prof. Vrabec, Guevara, Dr. Bernreuther, Horsch, Prof. Hasse
Foto: Das Logo der CME-Arbeitstagung zeigt Ludwig Boltzmann, der einen molekularen Ansatz als Grundlage der Thermodynamik durchsetzte, und Konrad Zuse, Pionier der Informatik und Erfinder der ersten modernen Computer.
Foto: Das Logo der CME-Arbeitstagung zeigt Ludwig Boltzmann, der einen molekularen Ansatz als Grundlage der Thermodynamik durchsetzte, und Konrad Zuse, Pionier der Informatik und Erfinder der ersten modernen Computer.