Über einfache Fragen zu komplexen Lösungen

Jun.-Prof. Dr. Claudia Alfes-Neumann über Zahlentheorie und die Weierstraß-Vorlesung

Zahlen, Buchstaben oder Graphen sind gängige Ausdrucksmittel in der Mathematik, um Rechnungen, Beweise oder Problemstellungen zu behandeln. Ein Schwerpunktbereich der Mathematik ist die Zahlentheorie, mit der sich auch Prof. Dr. Akshay Venkatesh, Professor am Institute of Advanced Study in Princeton, beschäftigt. Am Freitag, 14. Juni, wird er an der Universität Paderborn die diesjährige Weierstraß-Vorlesung halten und Einblicke in seine Forschungsarbeit geben. Jun.-Prof. Dr. Claudia Alfes-Neumann, Zahlentheoretikerin an der Universität Paderborn, ordnet diesen Forschungsbereich ein.

„In der Zahlentheorie geht es um das Studium der ganzen Zahlen. Das können ganz elementare Dinge sein, wie zum Beispiel die Teilbarkeit oder die Zerlegung einer Zahl in ihre Primfaktoren“, erklärt Alfes-Neumann. Doch selbst in der Welt der ganzen Zahlen kommt man nicht umhin, sich anderer Methoden zu widmen, um letztlich der Lösung eines Problems näher zu kommen, wie die Wissenschaftlerin betont: „Als Zahlentheoretiker ist man meist sehr interdisziplinär unterwegs. So bedient man sich klassischerweise Techniken aus der Analysis, Algebra oder Geometrie. Venkatesh hat dann zum ersten Mal Techniken aus vollkommen anderen Gebieten der Mathematik auf Fragen der Zahlentheorie angewandt. Er ist in der Lage, sich in kurzer Zeit in ganze Gebiete einzuarbeiten und deren Techniken dann auch in anderen Kontexten anzuwenden.“ Zudem gelinge es ihm oft, auf diese Weise die mathematischen Disziplinen, aus denen er sich „bedient“, ebenfalls wissenschaftlich voranzutreiben.

„Venkatesh ist meines Wissens nach der erste Mathematiker, der aus diesen Gründen die Fields-Medaille verliehen bekommen hat. In der Regel wird diese nämlich für den Beweis eines großen und lange offen gebliebenen Resultats oder für die Entwicklung eines neuen bedeutenden Zweigs der Mathematik verliehen“, so Alfes-Neumann. Die Fields-Medaille ist die höchste Auszeichnung für einen Mathematiker und hat innerhalb der Mathematik vergleichbares Renommee wie der Nobelpreis auf dem Gebiet der Physik oder Medizin.

„Das Faszinierende an der Beschäftigung mit der Zahlentheorie ist, dass es viele Fragen gibt, die zwar sehr einfach zu erklären sind, aber deren Lösung entweder immer noch nicht erarbeitet werden konnte oder erst nach langer Zeit.“ Ein Beispiel hierfür sei „Fermats letzter Satz“, der erst in den 1990er Jahren bewiesen werden konnte. Dabei geht es um die Frage, ob es ganze Zahlen für a, b und c gibt, die die Gleichung an + bn = cn erfüllen. Im Fall n = 2 ist diese Aussage als der Satz des Pythagoras bekannt, der beispielsweise mit den Zahlen 3, 4 und 5 zu einer ganzzahligen Lösung führt. Andrew Wiles hat dann bewiesen, dass es für n größer als 2 keine ganzzahligen Lösungen außer 1, -1 und 0 gibt. „Auch einige andere berühmte Beispiele, wie die Goldbach’sche Vermutung, wonach jede gerade Zahl größer als 2 die Summe von zwei Primzahlen sei, sind immer noch ungelöst“, führt Alfes-Neumann an.

Grundlagenforschung bei der Weierstraß-Vorlesung

In ihrer Forschung beschäftigt sich die Paderborner Zahlentheoretikerin mit automorphen Formen, das sind Objekte aus der komplexen Analysis, die „besonders schöne Symmetrieeigenschaften aufweisen“, erklärt Alfes-Neumann. Mit ihrer Arbeit leistet die Mathematikerin Grundlagenforschung, die in der Informatik, Physik und Kryptographie Anwendung findet. Innerhalb der Mathematik tragen sie zudem einen wichtigen Teil bei, um Problemstellungen zielgerichtet zu bearbeiten: „Automorphe Formen können dabei helfen, viele Probleme in der Zahlentheorie zu lösen. Sie sind zum Beispiel zentral in Andrew Wiles‘ Beweis von Fermats letztem Satz. Auch in Venkateshs Forschung sind automorphe Formen ein zentraler Bestandteil.“ Die Weierstraß-Vorlesung in Paderborn bietet eine besondere Möglichkeit, mit dem Fields-Medaillen-Träger Venkatesh einen Mathematiker kennenzulernen, dessen Forschung eine große internationale Reichweite erzielt.

Foto (Linda Wemhoff): Jun.-Prof. Dr. Claudia Alfes-Neumann ist Zahlentheoretikerin am Institut für Mathematik an der Universität Paderborn.

Kontakt