Historiker prüft historische Computerspiele: „Für Hitler den Krieg gewinnen?“

Umfrage: Neun von zehn Jungen spielen häufig am PC – 80 Prozent der Mädchen fast nie

Sie heißen Anno 1701, Rome Total War oder Blitzkrieg. Gemeinsam ist ihnen, dass sie historische Themen für den Spielspaß am Computer aufbereiten. „Wer aber meint, in den Strategie- oder Aufbauspielen historisch abgesichertes Wissen präsentiert zu bekommen, dürfte bei näherem Hinsehen enttäuscht sein“, so der Historiker PD Dr. Rainer Pöppinghege von der Universität Paderborn.

Zusammen mit einigen seiner Studenten hat er solche Spiele auf ihren historischen Gehalt hin analysiert. Das Ergebnis: Teilweise werden falsche Fakten präsentiert, teilweise unrealistische Szenarien entworfen. Mal stimmen Jahreszahlen nicht, mal kann man als Hitlers bester General den Ausgang des Zweiten Weltkriegs nachträglich ändern. „Aufgrund der komplexen Strukturen des Vergangenen ist es völlig ausgeschlossen, so etwas wie historische Realität am Bildschirm zu rekonstruieren“, stellt Pöppinghege fest. Als Beispiel nennt der Historiker den Einfluss der Religion auf das Alltagsleben im Mittelalter, der von keinem Spiel auch nur annähernd korrekt dargestellt werde. Prinzipiell davon abraten, sich mit derartigen Spielen zu beschäftigen, will Pöppinghege aber nicht, denn für ihn ist klar: „Der Spielspaß steht im Vordergrund der Nutzer. Mit der Absicht, sein Geschichtswissen aufzufrischen, dürfte ohnehin niemand die Spiele kaufen.“ Dennoch solle sich jeder darüber im Klaren sein, dass in den Spielen ein autoritäres Gesellschaftsverständnis und meistens gewaltsame Konfliktlösungen vorherrschen.

Angesichts einer unbefriedigenden empirischen Basis zum Bekanntheitsgrad historischer PC-Spiele und zur Spielhäufigkeit von Jugendlichen haben die Paderborner Historiker eine eigene Befragung von mehr als 530 Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen zwischen 13 und 23 Jahren an verschiedenen weiterführenden Schulen in Westfalen durchgeführt. Demnach spielen fast alle Jungen (95,6 Prozent) mindestens 2-3-mal wöchentlich, wogegen vier von fünf Mädchen (79,8 Prozent) so gut wie nie spielen. Tendenziell scheinen die jüngeren Befragten häufiger zu spielen als die älteren Jugendlichen. Insbesondere die Reihe der Anno-Spiele sowie das Serienspiel Age of Empires erfreuen sich großer Beliebtheit und sind mehr als der Hälfte der Kinder und Jugendlichen (55-60 Prozent) bekannt. Als kritisch bewertet die Arbeitsgruppe, dass diese Spiele von den Befragten noch am ehesten als historisch authentisch bewertet wurden.

Informationen zur Umfrage und zu Vortragsterminen: PD Dr. Rainer Pöppinghege, rainer.poeppinghege@upb.de, Tel.: 05251/60-2446/-2438. Die Projektgruppe hat sich im Februar 2007 im Anschluss an ein Seminar gegründet und bietet Vortragsveranstaltungen an Schulen an.

Foto: Der Historiker PD Dr. Rainer Pöppinghege (re.) von der Universität Paderborn untersuchte historische Computerspiele zusammen mit seinen Studierenden (v. li.): Bastian Dawitz, Daniel Pickert, Barbara Burgwedel, Christian Michalke und Alexander Schm
Foto: Der Historiker PD Dr. Rainer Pöppinghege (re.) von der Universität Paderborn untersuchte historische Computerspiele zusammen mit seinen Studierenden (v. li.): Bastian Dawitz, Daniel Pickert, Barbara Burgwedel, Christian Michalke und Alexander Schmeding. Es fehlt: Patrick Knüttel. Die Projektgruppe hat sich im Februar 2007 im Anschluss an ein Seminar gegründet und bietet Vortragsveranstaltungen an Schulen an.