"Da ist mehr passiert als bloße Begegnung" - Universität Paderborn organisierte eine erste Woche deutsch-polnischer gemeinsamer Spurensuche

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Die jüngste Erweiterung durch Aufnahme der osteuropäischen Staaten habe die EU vor schwierige Aufgaben gestellt, nicht nur, weil die "Neuen" in eine schon gefestigte Gemeinschaft integriert werden müssten, sondern auch, weil Vorurteile und nicht bewältigte Vergangenheit eine Annäherung der Völker erschwerten, so Prof. Dr. Wolfgang Keim von der Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. Keim weiter: "Deutsche und Polen z. B. verbindet und trennt eine 1000jährige Geschichte mit Tiefpunkten wie den polnischen Teilungen, der nazistischen Okkupation oder den Vertreibungen nach 1945. Soll hier ein gut nachbarschaftliches Verhältnis hergestellt werden, mit einer gemeinsamen europäischen Zukunft, bedarf es einer wirklichen Annäherung."

Dazu trägt ein dreisemestriges Projektseminar bei, das gemeinsam vom Institut für Erziehungswissenschaft der Uni Paderborn (Prof. Dr. Wolfgang Keim/Jost Biermann) und dem Fremdspracheninstitut der Uni Poznañ (Dr. Krystyna Grocholewska/Dr. Grazyna Krajcarz) veranstaltet wird. Die erste Phase mit einer achttägigen Besuchswoche 20 polnischer Studierender in Paderborn und Umgebung wurde abgeschlossen. Vorbereitet wurde sie von 20 Paderborner Studierenden, die vom 1. bis 9. April mit ihren polnischen Gästen auf Spurensuche gingen, ihnen dabei ihr universitäres und städtisches Umfeld erschlossen, sie an ihrem Alltag, ihren Freuden und Sorgen teilnehmen ließen und ihnen einen ersten Eindruck von der Region vermittelten. Außer Paderborn besichtigten sie das Detmolder Freilichtmuseum und das Hermannsdenkmal, verbrachten je einen Tag in Köln, Osnabrück und der Wewelsburg. Sachkundige Vorträge, Workshops, Führungen, aber auch Theater, Lesungen, Konzerte und Museumsbesuche ermöglichten ein breites Spektrum von Erfahrungen, die um die gemeinsame deutsch-polnische Vergangenheit zentriert waren.

Das Besondere dieser Besuchswoche lag darin, dass ihr Programm nicht beliebig oder unter touristischem Aspekt zusammengestellt, sondern in einem Vorbereitungsseminar sorgfältig geplant war. Ausgewählt wurden Orte und Themen, mit denen den Gästen aus Poznañ Paderborn und seine besondere Geschichte oder ganz allgemein Aspekte der deutschen Vergangenheit und des Umgangs damit nahe gebracht, gleichzeitig aber auch Bezüge zur eigenen Stadt (Poznañ) und eigenen politischen Erfahrungen hergestellt werden konnten. Diese werden in einer zweiten Besuchswoche im Herbst in Poznañ vertieft, so dass beide Besuchswochen spiegelbildlich angelegt sind, erst in ihrem Zusammenhang ein Ganzes ergeben. Spiegelpunkte sind etwa die Ottonen, jüdisches Leben vor und während der Nazi-Herrschaft oder der Zweite Weltkrieg, aber auch das Gedenken und Erinnern im Rahmen von Gedenkstätten, von Literatur und Malerei.

Die Besuchswoche der polnischen Studierenden hat die Tragfähigkeit des Konzeptes einer gemeinsamen Spurensuche eindrucksvoll bestätigt, wie ein Auswertungsgespräch am Tag der Abreise zeigte: "habe nicht erwartet, hier so viele polnische Spuren zu finden", "kein Tag, auf den ich verzichten möchte" oder "Vorurteile arbeiten in den Köpfen". Jetzt werden die Erfahrungen der Besuchswoche ausgewertet und der Gegenbesuch der deutschen Gruppe in Poznañ Anfang Oktober vorbereitet sowie eine Didaktik der Spurensuche erarbeitet, die auch für Schulen umsetzbar ist. Als Abschluss ist im kommenden Wintersemester eine Gesamtauswertung des Projektes in Form einer Dokumentation geplant.

Kontakt: Prof. Dr. Wolfgang Keim, Tel.: 05251-35888, E-Mail: keim@zitmail.upb.de

Foto: 20 polnische Studierende aus Poznañ und ihre deutschen Kommilitonen von der Universität Paderborn arbeiten in einem Projekt an einer gemeinsamen europäischen Zukunft.
Foto: 20 polnische Studierende aus Poznañ und ihre deutschen Kommilitonen von der Universität Paderborn arbeiten in einem Projekt an einer gemeinsamen europäischen Zukunft.