Fest zur Eröffnung des „Raums der Stille“ an der Universität Paderborn am 11. Mai

Projekt könnte Modell und Vorbild für andere Universitäten, Bildungs- und Kultureinrichtungen werden

Auf dem Campus der Universität Paderborn findet am Mittwoch, 11. Mai, 13.00 Uhr, ein Fest zur Eröffnung des Raumes der Stille statt. Der Raum (ME 0.220 im Mensagebäude) sei ein offenes Angebot für alle Mitglieder der Universität, „zu meditieren, zu beten oder einfach Ruhe zu finden“, so Prof. Dr. Helga Kuhlmann vom Institut für Evangelische Theologie der Fakultät für Kulturwissenschaften. Kuhlmann, die auch stellvertretende Vorsitzende des Zentrums für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften (ZeKK) an der Universität Paderborn ist: „Zu wenigen verabredeten Zeiten am Tag dürfen Gruppen den Raum für ein hörbares Ritual nutzen. Über diese Zeiten wird durch einen Aushang informiert. Aber auch zu dieser Zeit wird niemand gedrängt, den Raum zu verlassen. Es wird erwartet, dass alle im Raum zu dieser Zeit das Ritual respektieren. Im Raum gelten noch weitere Regeln, die aushängen.“

Die Regeln, die für den Raum der Stille gelten würden, seien an der Hochschule etwa eineinhalb Jahre in unterschiedlichen Gruppen diskutiert worden und enthielten viele Kompromisse, denen aber alle zugestimmt hätten.

An der Eröffnungsveranstaltung gibt es Beitträge von: Prof. Dr. Nikolaus Risch (Präsident Universität Paderborn), Prof. Dr. Volker Peckhaus (Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften), Anja Dirkes (Gemeindereferentin der Katholischen Hochschulgemeinde Paderborn), Matthias Surall (Pfarrer der Evangelischen Studierendengemeinde Paderborn), Mariam Ben Chagra (Sprecherin des DMMK – Deutschsprachiger Multinationaler Muslimkreis e. V.), David Martinez Leon (Kulturreferent AStA Uni Paderborn), Jörg Sickelmann (Psychosoziale Beratung, Uni Paderborn) und Prof. Dr. Helga Kuhlmann (Professorin für Systematische Theologie und Ökumene am Institut für Evangelische Theologie, Uni Paderborn).

Ein <link fileadmin uni-aktuell pressefotos mai flyer.raumderstille.pdf _blank>Flyer steht zur Verfügung.
 


 
Weitere Informationen:

Prof. Dr. Helga Kuhlmann: Konzeption für einen Raum der Stille an der Universität Paderborn – Bedarf an einem Raum der Stille

Die Universität Paderborn ist ein Ort der Forschung, des Studiums, der Lehre und des Lernens. Hier arbeiten Menschen unterschiedlicher Generationen, Männer und Frauen, mit unterschiedlichen Lebensgeschichten, aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen mit unterschiedlichen Einstellungen und Weltanschauungen zusammen. Manche von ihnen gehören religiösen Gemeinschaften an, andere nicht. Manche von ihnen haben Kinder, manche bringen ihre Kinder mit in die Universität. Viele verbringen ganze Tage auf dem Campus der Universität. Sie nehmen ihre Mahlzeiten dort ein, verbringen ihre Pausen miteinander oder allein; es entwickeln sich Freundschaften und kollegiale Beziehungen. Die Universität wird zu einem Raum gemeinsamen Lebens.

In vielfältigen Arbeits- und Kommunikationsprozessen werden die Angehörigen der Universität aktiv; sie investieren ihre Energie und ihre Arbeitskraft. Sie werden aber auch müde. Sie brauchen auch Zeiten der Pause und Räume, in denen sie sich von dem schnellen, lauten und aufregenden Arbeitsleben zurückziehen können, in denen sie entspannen und durchatmen können, damit sie ihre Energie sammeln und neue Kraft für die Weiterarbeit gewinnen können.

Seit Jahrtausenden finden religiöse Menschen Ruhe und Kraft im Gebet und in Meditationen. Andere finden Ruhe durch Unterbrechungen der Arbeit, durch Atem- und Entspannungstechniken, im einfachen Sitzen oder Liegen. Einer modernen kulturoffenen Universität als Arbeits- und Lebensort entspricht es, Personen zu ermöglichen, auch ihrem menschlichen Grundbedürfnis nach Ruhe und Pausen Ausdruck zu geben. Sie sollte denen, die zu bestimmten Zeiten des Tages beten oder meditieren wollen, einen Raum bieten, an dem dies ungestört möglich ist. Bisher existiert solch ein „Raum der Stille“ an der Universität noch nicht.

Während einer Senatsdiskussion vor etwa zwei Jahren wurde deutlich, dass mehrere Gruppen der Universität einen Raum der Stille an der Universität begrüßen würden. Besonderes Interesse an einem Raum zum Beten haben muslimische Universitätsangehörige, die jeden Tag ihre Gebete verrichten wollen. Aber auch Angehörige anderer Religionen freuen sich über einen Ort, an dem sie in Ruhe beten können. Viele Studierende, Lehrende und nichtwissenschaftliches Personal wünschen sich einen Ort der Ruhe. Die an Gesundheitsförderung Interessierten sehen in einem Raum der Stille die Chance, gesünder zu leben. Eine Befragung von Studierenden im NRW-Survey 2006 und 2007 ergab, dass Studierende ein deutliches Interesse an Rückzugsmöglichkeiten formulieren. Auch die Studierenden im Senat haben das Anliegen eines solchen Raumes unterstützt.

Ein Raum der Stille ist dabei zu unterscheiden von einem Raum ruhiger Arbeit, wie er in der Bibliothek zu finden ist. Im Raum der Stille soll nicht gearbeitet werden, sondern hier wird die Arbeit unterbrochen.

Die Universität selbst ist eine Institution weltanschaulicher Neutralität. Daher kann sie nicht einzelne religiöse Gruppen bevorzugen und andere benachteiligen. Sie ist verpflichtet, ihre Räume allen Universitätsangehörigen und den Gästen der Universität zu öffnen. Daher muss solch ein Raum der Stille und des Gebets in der Regel allen zugänglich sein. Er müsste groß genug sein, damit genügend Personen dort Platz finden.

Das im Mai 2010 gegründete Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaft an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn hat für die Einrichtung eines Raums der Stille

  1. die Koordination der unterschiedlichen religiösen und nicht-religiösen Gruppen übernommen, die an einem solchen Raum Interesse haben,
     
  2. in Abstimmung mit den beteiligten Gruppen Erfordernisse für einen Raum der Stille an der Universität Paderborn festgestellt und

  3. eine Ordnung für diesen Raum erstellt.
     

1) Koordination

Bisher haben neben dem ZeKK folgende Gruppen und Personen Interesse an einem Raum der Stille bekundet und an Gesprächen in unterschiedlichen Zusammensetzungen teilgenommen:

  • das Institut für Evangelische Theologie an der Fakultät für Kulturwissenschaftlichen der Universität Paderborn
  • das Institut für Katholische Theologie an der Fakultät für Kulturwissenschaftlichen der Universität Paderborn
  • muslimische Studierende unterschiedlicher Gruppierungen sowie muslimische Studierende, die keiner Gruppierung angehören (vom DMMK Mariam Ben Chagra u. a.)
  • der ASTA (Kulturreferent David Martinez Léon)
  • die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Paderborn Irmgard Pilgrim
  • die Gesundheitsbeauftragte der Universität Sandra Bischof
  • die Verantwortliche für das Profil Gesundheitsfördernde Schule am PLAZ (Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung) Annette Brinkmann und Nicole Tempel
  • die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der psychosozialen Beratung an der Universität Paderborn Barbara Sawall und Jörn Sickelmann
  • die evangelische Studierendengemeinde (Pfarrer Matthias Surall)
  • die katholische Studierendengemeinde (Gemeindereferentin Anja Dirkes)

Das Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaft bemüht sich darüber hinaus um Kontaktaufnahme zu buddhistischen Studierenden.

Die Ordnung und die Organisation des Raums wurde mit Beteiligten dieser Gruppen abgestimmt. Sie beraten das Zentrum bei der Organisation. Weitere Personen oder Gruppen, die an der Beratung teilnehmen wollen, sollen sich an das Zentrum wenden. Über ihre Teilnahme wird im Vorstand des Zentrums entschieden.
 

2) Folgende Erfordernisse für einen Raum der Stille an der Universität Paderborn wurden in mehreren Gesprächen ermittelt:

Der Raum sollte möglichst lange geöffnet sein.

Für Gepäck, Jacken, Mäntel und Schuhe sollten Schließfächer in der Nähe des Raums angebracht werden.

Damit Angehörige der muslimischen Religion ihre Waschungen vollziehen können, sollten Toiletten und Waschräume in der Nähe des Raums zur Verfügung stehen.

Der Raum sollte mit Teppichboden ausgelegt werden.

Im Raum sollen Gebetsteppiche sowie Kniebänke und Meditationskissen vorrätig sein, die für Gebete und Meditation ausgeliehen werden können, außerdem einige Exemplare der Heiligen Schriften der Religionen zur stillen Lektüre. Einige halbhohe bewegliche Paravents sollten zur Verfügung stehen.

Damit die Ordnung eingehalten und der Raum gepflegt wird, sollte der Raum beaufsichtigt werden.
 

3) Folgende Regeln wurden festgehalten und hängen an der Tür aus:

Der Raum der Stille ist ein Raum der Meditation, der Stille und des Gebets. Dort herrscht Stille. Es wird nicht gesprochen oder gesungen. Ausnahmen sind die mit Rücksicht auf die anderen Personen im Raum leise gesprochene Einleitungsformeln des muslimischen Gemeinschaftsgebetes sowie ein angekündigtes zeitlich begrenztes Ritual (s. u.).

1. Der Raum darf nicht mit Schuhen betreten werden. Taschen, Mäntel und elektronische Geräte dürfen nicht mit in den Raum genommen werden. Sie werden vor dem Raum abgegeben.

2. Meditationsbücher, Heilige Schriften der Religionen, Tagebücher und einzelne Stifte dürfen in den Raum mitgenommen werden.

3. Im Raum sind Gebetsteppiche, Kniebänke, Meditationskissen und einige Exemplare der Heiligen Schriften der Religionen vorrätig, die während des Gebets und der Meditation benutzt werden dürfen und anschließend wieder zurückgegeben werden.

4. Während des muslimischen Gebets tritt niemand zwischen die Wand und die Betenden.

5. Zu bestimmten angemeldeten Zeiten dürfen religiöse Gruppen den Raum für ein Ritual nutzen. Sie dürfen während dieser Zeiten sprechen und singen. Diese Zeiten werden vorher beim Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaft angemeldet.

Als Regel gilt: eine Gruppe darf ein Ritual pro Tag von höchstens 15 Minuten feiern.

Der Vorstand des Zentrums für Komparative Theologie und Kulturwissenschaft sorgt dafür, dass der Charakter des Raums in erster Linie ein Raum der Stille bleibt und entscheidet über die Zulässigkeit.

Über die Zeiten, zu denen der Raum für ein Ritual genutzt wird, wird am Eingang des Raumes informiert. Auch zu diesen Zeiten bleibt der Zugang zum Raum allen geöffnet.

Von allen, die zu diesen Zeiten den Raum nutzen, wird erwartet, dass sie das Ritual respektieren und den Ablauf nicht stören.
 

Modellcharakter

Wenn es gelingt, dass der Raum der Stille an der Universität Paderborn zu einem Ort wird, an dem viele innehalten und ruhig werden, könnte die Universität in dieser Hinsicht zum Modell und Vorbild für andere Universitäten, Bildungs- und Kultureinrichtungen werden. In immer mehr Schulen, außerschulischen Bildungsinstitutionen und öffentlichen Gebäuden unterschiedlicher Art wird die Notwendigkeit von Ruhezonen erkannt.

Mehrere differente Anliegen sollten in einem solchen Raum erfüllbar sein. In der Gegenwart weltanschaulicher Pluralität muss dem Stille- und Gebetsbedürfnis mehrerer Religionsgemeinschaften genauso wie Ruhebedürfnissen nicht-religiöser Menschen Rechnung getragen werden. Dabei müssen sich auch Gruppen akzeptieren, die unterschiedliche Weltanschauungen und religiöse Überzeugungen haben.

Im Raum der Stille wird es möglich, auf friedlichem Wege, nämlich durch schweigende Präsenz, zu erleben und kennenzulernen, wie religiöse Menschen ihrer Gebetsfrömmigkeit Ausdruck geben. Andere werden ihrem (nicht-religiösen) Bedürfnis nach Ruhe nachkommen können. Es wird möglich, dass religiöse und nicht-religiöse Menschen einander Respekt und Achtung erweisen, indem sie die anderen „in Ruhe“ lassen, damit alle zur Ruhe kommen können. Alle können erkennen, dass ihnen Ruhe und Schweigen gut tun. Zu hoffen ist, dass solche Erfahrungen den Keim für Prozesse der Begegnung bilden. Menschen, die sich im Raum der Stille treffen, können draußen vor der Tür des Raums miteinander ins Gespräch kommen. Auf diese Weise kann der Raum dazu beitragen, dass die Toleranz gegenüber Andersdenkenden und das Verständnis wachsen. Dies sind Voraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Die Schirmherrschaft des Zentrums für Komparative Theologie und Kulturwissenschaft für diesen Raum bietet der Universität Paderborn eine hervorragende Chance, dass der Raum der Stille ein Markenzeichen der Universität Paderborn werden kann.

Abbildung: Flyer
Abbildung: Flyer