Tänzer, Sänger, Performer und ganz frischer Ehemaliger

Als wir Daniel Johnson zum Interview im Tanzsaal von SP2 treffen, läuft das Sommersemester langsam aus. Die Mittagspause – die perfekte Zeit, der Saal – der perfekte Ort für einige Sportstudentinnen, um noch schnell die letzten Schritte ihrer Choreographien für die Abschlussprüfungen einzustudieren. Sie könnten wohl noch ein bisschen Hilfe gebrauchen, stellen die Studentinnen fest, als sie Daniel Johnson tanzen sehen – und müssen lachen. Der 25-Jährige ist Tänzer, Sänger, Performer und seit kurzem ein ganz frischer Ehemaliger der Uni Paderborn. Im Spätsommer hat er seine Bachelorarbeit im Fach Populäre Musik und Medien abgegeben. Vor seinem Studium in Paderborn war er für eine Ausbildung zum Musicaldarsteller in Hamburg – und kam dann zurück in seine Heimatstadt. Ein lauter Typ mit interessanten Geschichten bei uns im Interview:  

Nach dem Abitur hat es dich erstmal in die Großstadt gezogen, nach Hamburg, um dort eine Musicalausbildung anzufangen – dann vor drei Jahren die Entscheidung für ein Studium in Paderborn. Dich als Tänzer, Sänger und Entertainer müssen wir fragen: Wie kam es zu der Entscheidung? Ich habe mich am Ende meiner Ausbildung am Fuß verletzt, hatte eine starke Zerrung und musste tänzerisch für einige Wochen aussetzen. Das war eine Zeit, in der ich ins Grübeln gekommen bin und mir vieles nicht mehr vorstellen konnte. Ich habe mich zum Beispiel gefragt, ob mich das Ganze auf Dauer glücklich macht. Als Musicaldarsteller ist man einfach angewiesen auf seine Gesundheit.  In diesem Tief habe ich entschieden, die Branche von einer anderen Seite kennenzulernen. Deswegen bin ich nach Paderborn zurück, um Populäre Musik und Medien zu studieren. 

Ein ganz schönes Kontrastprogramm, vor allem kulturell hat eine Stadt wie Hamburg schon mehr zu bieten. Wie hast du deine Studienzeit in Paderborn empfunden? Was ich an Paderborn total schön finde, ist, dass man durch die Stadt geht und immer jemanden trifft, mit dem man sich austauschen kann, vielleicht ist das auch ein Gefühl von Heimat. Das hat man in der Großstadt ja eher selten. Ansonsten: Bei uns im Studiengang sind so viele, die gerne auf die Bühne wollen – und das ist im Moment in Paderborn ziemlich schwierig und einfach sehr schade. Auch partytechnisch: Die Clubs, die es gibt: Resi, Sappho und Capitol – und das war's dann halt. Ich kenne viele, die am Wochenende dann einfach wegfahren. Das ist so schade. Aber gefehlt hat mir eigentlich nichts. Ganz im Gegenteil. 

In einem Interview vor deinem Auftritt bei der Castingshow „The Voice of Germany“ hast du gesagt, dass dich deine Zeit in Paderborn weitergebracht hat. Voll, total. 

Inwiefern? In Paderborn habe ich wieder gemerkt, auch durch meine Tanzkurse und die Menschen hier, wie glücklich mich das Tanzen und Singen macht und wie stark ich daran hänge. Nach den drei Jahren in Hamburg hatte ich in Paderborn die Möglichkeit, wieder runterzukommen, nicht so viel Trubel um mich herum zu haben und mich einfach mal auf mich zu konzentrieren. Mein Studium hat mir dabei auch geholfen: Ich habe hier angefangen, selbst Songtexte zu schreiben – und ich hätte vorher nie geglaubt, dass ich das kann. Das war eine krasse Erfahrung. Ich habe die letzten Jahre viel verarbeitet und getextet, Dinge beschrieben, die auch andere erlebt haben und so auch wieder zu mir gefunden. Und das hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin.

Kam das Schreiben einfach so oder hast du viel verworfen und immer wieder ausprobiert? Nein, klar, ich habe viel ausprobiert. Lady Gaga hat mal gesagt, sie habe Born this Way in zehn Minuten geschrieben. (Er lacht) Also ich hab jetzt noch keinen Song in zehn Minuten geschrieben, aber es gab einen, den habe ich an einem Tag fertig gemacht, weil es einfach geflowt hat, aber sonst. Ich bin einfach super perfektionistisch und pingelig. Manchmal habe ich nach Wochen noch an einer Zeile gearbeitet und damit gehadert. Das ist alles ein Prozess. 

Wenn wir schon bei den ganz Großen sind: Man liest immer wieder, dass Lady Gaga vor großen Shows und Auftritten mit Lampenfieber zu kämpfen hat. Wie geht es dir, kurz bevor du auf die Bühne gehst? Klar habe ich Lampenfieber – sowohl wenn ich als Tänzer bei einer Show bin, als auch wenn ich als Choreograph hinter der Bühne stehe oder singe. Ich glaube auch, wenn dieses Gefühl nicht mehr da wäre, würde ich es nicht mehr machen wollen. Dieser Nervenkitzel ist einfach besonders. Ich habe auch schon häufiger gedacht „Ich könnte jetzt auch zuhause bleiben, die Sachen einfach aufnehmen, bei Youtube hochladen“, aber das ist nicht das Gleiche. Live spielen ist nochmal ganz anders – und vor allem immer anders – das Publikum, die unterschiedlichen Locations. Es würde mir schon sehr fehlen, wenn ich das nicht mehr machen könnte.

Hast du ein bestimmtes Ritual vor Auftritten? Beim Singen ist es oft so, dass ich einfach nicht mehr viel sprechen möchte, weil ich so viel nachdenke. Ich habe die Texte im Kopf und überlege, ob wir an alles gedacht haben, die ganze Technik dabei haben und so. Und Ritual ist vielleicht, naja, dass ich am Abend vor einem Auftritt - ja, richtig Rock'n'Roll - früh schlafen gehe. Ich versuche einfach, fit zu sein und Ruhe zu haben und mir Zeit für mich zu nehmen, konzentriert zu sein. Ja, und dann wünschen wir uns gegenseitig noch „Viel Glück“ und los geht‘s. Keine Glückssocke oder so. Wenn überhaupt kommt von Mama noch eine „Viel Spaß“-Nachricht.

Und neben der Bühne, wenn du nur für dich bist: Gibt es einen Song, bei dem du einfach tanzen musst? Bei dem du richtig abgehst? Bei mir gibt es immer Klassiker, sowas wie The way you make me feel von Michael Jackson oder So emotional von Whitney Houston, die immer gehen – ganz, ganz stark. Aber dann eben auch aktuelle Songs. Ich muss sagen, aktuell mag ich die neue Lady Gaga-Nummer The Cure. Sowas spiele ich dann auch in meinen Kursen, die merken dann schnell, dass ich immer die Musik nehme, die mir persönlich auch ganz gut gefällt. Naja, und bei solchen Nummern gibt es dann kein Halten mehr. 

Hast du als Profi manchmal auch so Momente, in denen du denkst „Oh mein Gott, kann man das Tanzen nennen?“ Ganz ehrlich? Wenn ich im Club bin, tanze ich gar nicht mehr so viel, weil ich es sonst oft genug mache. In solchen Momenten bin ich ganz losgelöst und denke auch nicht mehr choreografisch oder wie etwas aussieht. Wir sind alle da, um Spaß zu haben und ich finde, da kann man sich dann auch so bewegen, wie man es gerade fühlt. Und klar, wenn da Alkohol dabei ist, dann ist es bei mir manchmal auch nicht mehr schön. Und bei meinen Kursen? Das Einzige, was ich da vielleicht bemängeln würde, ist, wenn ich merke, dass die sich keine Mühe geben. 

Du bist seit kurzem durch mit deinem Studium. Wie geht’s bei dir jetzt weiter? Ich weiß nicht, wo ich in zehn Jahren sein werde. Allerdings möchte ich flexibel sein, aktiv mit Menschen arbeiten und nicht am Schreibtisch kleben – am liebsten im Musik- und Theaterumfeld.  Ich freue mich, jetzt ein Kapitel beendet zu haben, Bewerbungen zu schreiben und auf alles, was jetzt kommt. Das Tanzen und Singen wird mich definitiv immer weiter begleiten. 

(Das Interview ist im Juli 2017 geführt worden.)