Kinder und Jugendliche brauchen Bewegung

Paderborner Wissenschaftlerin warnt vor den Folgen der Pandemie

„Laut aktueller Studien bewegen sich Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie weniger und verbringen deutlich mehr Zeit vor Bildschirmen als im vergleichbaren Zeitraum der Vorjahre. Dadurch hat sich die Lebens- und Bewegungswelt der Kinder und Jugendlichen extrem verändert. Der organisierte Sport durch Schule und Vereine ist plötzlich weggefallen“, sagt Prof. Dr. Miriam Kehne von der Universität Paderborn. Für den derzeitigen Lockdown befürchtet die Leiterin des Arbeitsbereiches Kindheits- und Jugendforschung im Sport, dass die Inaktivität junger Menschen weiter zunimmt, da es gerade in der dunklen Jahreszeit schwerfalle, sich selbstständig Alltagsbewegungsmöglichkeiten und -aktivitäten zu suchen.

Im Vergleich zum vergangenen Frühjahr hat sich die Situation jüngst verschärft: „Beim ersten Lockdown haben sich die Kinder und Jugendlichen noch deutlich mehr bewegt, als es jetzt zum Jahresbeginn der Fall ist“, so die Wissenschaftlerin. „Zwar gab es schon Mitte 2020 starke Einschränkungen im Sportunterricht und der organisierte Vereinssport fiel weg, aber die Witterung hat Kinder eher dazu motiviert, draußen aktiv zu sein.“

Erste Studien zeigen Kehne zufolge schon jetzt deutliche Auswirkungen auf die Koordinationsfähigkeit und Ausdauerleistungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe regelmäßige Bewegung viele positive Effekte. Bewegung wirke sich nachweislich förderlich auf die Gesundheit aus und sei neben der motorischen Entwicklung für die psychische und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen besonders wichtig. Für Kinder und Jugendliche empfiehlt die WHO täglich 60 Minuten Bewegung. „Allerdings wissen wir, dass schon vor der Pandemie die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in unserem Land diesen Wert nicht erreicht hat“, mahnt Kehne. Um die tägliche Bewegungszeit zu erzielen, müssten Eltern, Lehrer, Trainer und Entscheidungsträger die Kinder und Jugendlichen unterstützen und motivieren.

Negative Folgen müssten vermieden werden. Daher brauche es Angebote wie Bewegungshausaufgaben und Training per Online-Anleitung. „Und vielleicht steckt in den Online-Angeboten auch die Chance, eine neue Zielgruppe zur Bewegung zu motivieren“, so Kehne. „Allerdings kann ein Online-Angebot den Sport im Verein und Bewegung oder Sport mit Freunden draußen dauerhaft keinesfalls ersetzen. Schließlich geht es auch um die individuelle Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit der Heranwachsenden.“ Darüber hinaus seien Bewegungsangebote in der Natur gemeinsam mit der Familie und tägliche Bewegungsanlässe zur Erreichung der Bewegungszeit unabdingbar. So sollte im Rahmen des Homeschooling der Schulalltag durch Bewegungspausen rhythmisiert werden. „Auch Vokabeln können in Bewegung gelernt und mit Bewegung kombiniert werden. So kann das vermehrte Sitzen zuhause am Computer gezielt unterbrochen und mit Freude gelernt werden,“ so Kehne. Alle vorgeschlagenen Aktivitäten seien aber eher als Überbrückung zu sehen. Wichtig sei, dass sich in der Pandemie entwickelte Lebensstile nicht verfestigen.

„Insbesondere nach der herausfordernden Zeit muss verstärkt auf eine aktive Bewegungsförderung hingearbeitet werden, um den potenziellen Folgen der Pandemie frühzeitig zu begegnen“, warnt Kehne. „Hier sind Wissenschaft, Praxis und Politik gefordert, eng zusammenzuarbeiten. Bewegung ist ein wichtiger Motor für eine ganzheitliche und gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.“
 

Text: Heiko Appelbaum

Foto (Universität Paderborn/Besim Mazhiqi): Prof. Dr. Miriam Kehne ist Leiterin des Arbeitsbereiches Kindheits- und Jugendforschung im Sport an der Universität Paderborn.
Foto (Universität Paderborn/Besim Mazhiqi): Prof. Dr. Miriam Kehne ist Leiterin des Arbeitsbereiches Kindheits- und Jugendforschung im Sport an der Universität Paderborn.

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