Ringvorlesung

Sommersemester 2013: Komplexitätsreduktion

Automatismen können Komplexität reduzieren: Wo es gelingt, Handlungssequenzen zu bündeln und zu automatisieren, sind die Ausführenden von ihrer Komplexität weitgehend befreit. Gleichzeitig sind Automatismen selbst komplex und können ‒ gewollt oder ungewollt ‒ Komplexität immer auch steigern. Die Ringvorlesung fragt deshalb nach dem Wechselverhältnis zwischen Komplexität und Komplexitätsreduktion.

Die Ringvorlesung soll dazu beitragen, Komplexität und Komplexitätsreduktion aus Perspektive der Automatismen miteinander in Beziehung zu setzen. Hierzu werden VertreterInnen unterschiedlicher theoretischer Ansätze sowie der unterschiedlichen am Kolleg beteiligten Fachrichtungen eingeladen.

 

Raum: E5.333 & W3.210

Zeit immer: 18.15h (an Dienstagen)

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Dienstag 16.04. | Raum E5.333 | Hartmut Winkler (Paderborn)Kulturtechniken zur Reduzierung von Komplexität - zur Einführung 

Nahezu alle Theorien der Moderne sind sich einig darin, dass diese durch eine immer stärkere Differenzierung der gesellschaftlichen Funktionen und ein Ansteigen der gesellschaftlichen Komplexität gekennzeichnet ist. Gleichzeitig lässt sich Komplexität nicht unbegrenzt steigern; und wo sie unkontrolliert wächst, ist mit erheblichen Folgeproblemen zu rechnen. Gesellschaften haben deshalb immer auch solche Kulturtechniken entwickelt, die Komplexität  begrenzen, handhabbar machen oder abfangen. Differenzierungsprozessen stehen Mechanismen der Entdifferenzierung gegenüber. Der Vortrag will einige dieser Mechanismen vorstellen und die Frage des Kollegs nach den Automatismen in diesem Feld neu verorten.

 

Mittwoch 17.04. | Raum E5.333 | Manfred Füllsack (Graz)Zum Regelmäßigen des Unregelmäßigen – Automatismen und Komplexitätsreduktion 

Der Vortrag wird versuchen, im Rahmen einer kleinen Zusammenschau von Aspekten der Komplexitätsforschung den Zusammenhang von Regelmäßigkeiten, die sich mit Automatismen bearbeiten lassen, und Unregelmäßigkeiten, die sich dem zunächst sperren, zu beleuchten. Am Beispiel einfacher zellularer Automaten und nicht-trivialer Maschinen soll überdies gezeigt werden, dass auch Automatismen scheinbar regellose Dynamiken erzeugen können, die ihrerseits unter geeigneten Voraussetzungen evolutionäre Suchläufe herausfordern, um im Chaos Ordnung zu finden – eine Ordnung, die sich sodann von next-order-Automatismen nutzen lässt. In Forschungsbereichen wie AI und Robotics scheint dies gegenwärtig die Bedeutung des Begriffs Automatismus zu verändern.

 

Dienstag 30.04. | Raum E5.333 | Michael Makropoulos (Berlin)Modernität, Komplexität und Kontingenz 

Modernität realisiert sich in Strukturen der Komplexität und problematisiert sich in Kulturen der Kontingenz. Die Transformation von Komplexität zu Kontingenz wird damit zu einem Verfahren der Komplexitätsreduktion par excellence. Der Beitrag wird diese These im Kontext der Kontingenzsemantik explizieren und in drei historischen Feldern konkretisieren: Ordnungsschwund und Ordnungsstiftung, Selbstkontrolle und Handlungskompetenz, Krisenbewusstsein und Fortschrittsorientierung.

 

Mittwoch 15.05. | Raum J3.220 | Klaus Mainzer (München)Komplexe Systeme: Wie entstehen Chaos und Ordnung in Natur, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft? 

Das Phänomen der Komplexität zeigt sich u.a. in Organismen, der Ökologie, im Gehirn, der Vernetzung innerhalb einer Produktstruktur, in Märkten, Verkehr oder urbanen Systemen. Können wir aus Chaostheorien, aus der Entstehung von Ordnung und Selbstorganisation in der Natur lernen, technische und soziale Systeme zu steuern? Wo sind grundlegende Unterschiede in der Dynamik von Natur und Gesellschaft? Welche Konsequenzen lassen sich aus der Wissenschaft vom Komplexen für unser Handeln ziehen? Lässt sich die nichtlineare Dynamik komplexer Systeme mathematisch simulieren?

 

Dienstag 28.05. | Raum E5.333 | Bernd Mahr (Berlin)Komplexität, Reduktion und Modell 

Aufwand und Komplexität hängen in der Algorithmik von Maßen ab, die den Verbrauch von Ressourcen bei der Ausführung von Rechenvorgängen messen. Wichtige Hilfsmittel der Komplexitätstheorie sind Reduktionen. Auch wenn es dafür bisher keinen formalen Rahmen gibt, legen dennoch Beispiele nahe, wie sich das Konzept der Reduktion auf Vorgänge des Modellgebrauchs übertragen lässt. Mit einer solchen Übertragung gewinnt man eine konzeptuelle Grundlage für die Frage, ob und wie durch Modelle, als Mittel der Abstraktion und Übertragung, Aufwände reduziert werden können.

 

Dienstag 11.06. | Raum W3.210 | Johannes Weyer (Dortmund)Steuerung komplexer Systeme in der Echtzeit-Gesellschaft 

Die Frage, ob sich komplexe sozio-technische Systeme steuern lassen, beschäftigt die Sozialwissenschaften seit geraumer Zeit. Der Vortrag greift die steuerungstheoretische Debatte der 1980er Jahre wie auch den Governance-Diskurs der 1990er Jahre auf und verdichtet die dort diskutierten Konzepte zu einem Mehrebenen-Modell von Governance. Auf diese Weise wird es möglich, das Thema „Steuerung komplexer Systeme“ mit Mitteln der experimentellen Soziologie zu bearbeiten und zudem das Phänomen der Echtzeit-Steuerung zu analysieren. Der Vortrag präsentiert Ergebnisse von Experimenten, die mit einem soziologisch fundierten Framework einer Verkehrssimulation durchgeführt wurden.

 

Mittwoch 26.06. | Raum E5.333 | Urs Stäheli (Hamburg)Entnetzt Euch! Praktiken der Anschlusslosigkeit 

Der Imperativ zur Vernetzung prägt die unterschiedlichsten kulturellen und sozialen Bereiche. Zunehmend treten aber empirisch und theoretisch die Probleme der durch Vernetzung geschaffenen Komplexität in den Vordergrund. Zwar interessiert sich die Komplexitätstheorie seit langem für Formen der Reduktion von Komplexität und damit implizit auch für Entnetzung. Da die Frage aber meist strukturtheoretisch beantwortet wird, bleiben die Operationen und Praktiken des Entnetzens im Hintergrund. Der Vortrag argumentiert, dass sich mit dem Blick auf die Gegenwartskunst keineswegs automatisch ein Imperativ zur Vernetzung formulieren lässt, sondern dass diese auch fruchtbare Modelle zur Verfügung stellt, soziale Praktiken der Entnetzung zu denken.   

 

- VORTRAG FÄLLT LEIDER AUS! -

Dienstag 09.07. | Raum E5.333 | Steen Bergendorff (Roskilde) Cultural Complexity and Social Reproduction 

In this lecture, I suggest that we understand culture as complex dynamic systems. Cultural complexity is based on local and individual interaction that is linked to energy intake from the environment, which for human communities to a large extent is based on some form of exchange with other groups. This form of interaction creates emergent properties – or  what we also call cultural orders. Thus cultural complexity is intimately linked to social reproduction.

 

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Graduiertenkolleg „Automatismen. Kulturtechniken zur Reduzierung von Komplexität“ 

Sprecher: Norbert Otto Eke, Christoph Neubert
Verantwortlich für die Ringvorlesung: Hannelore Bublitz, Hartmut Winkler
Konzeption: Lioba Foit, Matthias Koch, Christian Köhler, Marion Näser-Lather, Theo Röhle 

Warburger Str. 100
33098 Paderborn
Fon: +49 (0) 5251 60 3275
Fax: +49 (0) 5251 60 4223
koord@gk-automatismen.upb.de
www.upb.de/gk-automatismen

gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Universität Paderborn