Feminismus

Obwohl der Begriff Feminismus erst um 1880 durch die französische Frauenrechtlerin Hubertine Auclert geprägt wurde, hat es aus der Retrospektive betrachtet „seit jeher“ feministische Einsprüche gegen geschlechtsbezogene Unrechtserfahrungen und -strukturen gegeben. Anzuführen ist hier bspw. Christine de Pizan mit ihrem Werk Die Stadt der Frauen von 1404/05 (vgl. Gerhard 2018: 7f., 11). Als weitere Wegbereiterinnen des Feminismus – als eine Bewegung, die sich aus Erfahrungen der Unterdrückung und Ausbeutung speiste – sind beispielsweise und insbesondere die französische Frauenrechtlerin Olympe de Gouges mit ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (1791) sowie die afroamerikanische Abolitionistin und Frauenrechtlerin Sojourner Truth mit ihrer Rede Ain’t I a woman? (1851) anzuführen; um nur einige frühe feministische Stimmen zu nennen. Doch erst Mitte des 19. Jahrhunderts schlossen sich im Rahmen der europäischen bürgerlichen Revolutionen und der Antisklavereibewegung in den USA Frauenvereinigungen zusammen, die sich weitestgehend geschlossen und systematisch der sogenannten ‚Frauenfrage‘ widmeten und den Zugang zu Politik, Bildung, Erwerbsleben und Selbstbestimmung forderten (vgl. u.a. Karl 2020; Karsch 2016; Thiessen 2010: 37). Ausgangspunkt von Feminismus stellt grundsätzlich die Kritik an der „Identifizierung“ (Thiessen 2010: 38) des weiblichen Subjekts als eine Gruppe dar, die den Männern nach- und damit untergeordnet ist. Das Anliegen von Feminismus ist es daher, die gesellschaftliche Position von Frauen und alle daraus resultierenden Benachteiligungen (vgl. zur „doppelten Vergesellschaftung von Frauen“ ausführlicher Becker–Schmidt 2010: 65) besonders im Hinblick auf stark geschlechtlich strukturierte Bereiche wie Produktion, Reproduktion und Regeneration zu verändern. Dies schließt auch die Analyse derjenigen politischen, ökonomischen und sozialen Prozesse ein, die die Unterdrückung resp. Benachteiligung von Frauen hervorgebracht haben bzw. hervorbringen. Regina Becker-Schmidt (2010) beschreibt daher das Geschlechterverhältnis als ein „Ensemble von Arrangements […], in denen Frauen und Männer durch Formen der Arbeitsteilung, soziale Abhängigkeitsverhältnisse und Austauschprozesse aufeinander bezogen sind.“ (ebd.: 69)

Im Zeitverlauf hat es Veränderungen, unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und Zielgruppen innerhalb des Feminismus gegeben: Während in den 1980er Jahren bspw. vor allem ökofeministische Positionen vertreten wurden, die Kategorien wie ,Natur‘ und ,Frau‘ auf ihre strukturellen Zusammenhänge hin untersuchten und damit einhergehende Ausbeutungsverhältnisse aufzeigten, wurden diese als essentialistisch und naturalisierend zu bewertenden Weiblichkeitsbilder innerhalb der feministischen Naturwissenschaftskritik und durch das zunehmende Einwirken poststrukturalistischer Konzepte ab Mitte der 1980er Jahre kritisiert (vgl. Thiessen 2010: 39f.). Dabei hat der Feminismus durchaus neue Ausschlüsse und „Hegemonien“ (ebd.: 40) mit sich gebracht, die u. a. von Judith Butler (1990) kritisiert wurden: Nicht nur wurde angemerkt, dass die Kategorie ‚Frau‘ als grundlegend vorausgesetzt und Differenzen zwischen Frauen oder andere Marginalisierungen nicht thematisiert wurden, zugleich werden andere, teils mit Geschlecht interagierende Merkmale wie race, class oder ethnicity nicht berücksichtigt (vgl. ausführlicher Thiessen 2010: 40f.). Gegenwärtige feministische Ansätze stehen somit insbesondere vor der Herausforderung, zunehmend intersektionale Perspektiven in den Blick zu nehmen.

Da es nicht die eine feministische Theorie gibt, sondern unterschiedliche Positionen und Theorierichtungen innerhalb des Feminismus, ist es treffender von Feminismen als von Feminismus zu sprechen. Je nach Schwerpunktsetzung bei der Betrachtung feministischer Strömungen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten und Versuche, Feminismen mit ihren Anliegen und Forderungen zu systematisieren. Eine gängige Systematisierungsweise ist hierbei die Einteilung in sog. Wellen. Auf globaler Ebene betrachtet wird die sog. erste Welle des Feminismus ab 1840 angesetzt, die zweite Welle folgte ab 1960 und die dritte Welle setzte ab 1990 ein. Neben der Einteilung der feministischen Bewegungen in Wellen, stellt die Einteilung in Differenz- oder Gleichheitsfeminismus eine weitere gängige Möglichkeit der Sortierung dar (vgl. hierzu insb. Holland-Cunz 2018, Lenz 2018). Zudem ist generell „zwischen Feminismus als einer kritischen Gesellschaftstheorie und Feminismus als sozialer Bewegung von Frauen [und emanzipativen Männern]“ (Gerhard/Pommerenke/Wischermann 2008: 9) zu unterscheiden.

Ziel der Etablierung von Frauen- und Geschlechterforschung an Hochschulen sowie anderen Weiterbildungseinrichtungen ist daher die Förderung des Transfers von Theorie und Praxis sowie eine Verbreitung, Ausweitung sowie Systematisierung der feministischen Theoriebildung (vgl. Thiessen 2010: 38). Sigrid Metz-Göckel (2003) bezeichnet den Feminismus daher auch als „Theorie“, die Frauenbewegung hingegen als „Praxis“ (vgl. ebd: 170ff.; zit. nach Thiessen 2010: 38).

Auch wenn aus Sicht des Feminismus durchaus Gewinne auf der Ebene von Bildung, Gleichstellung, Menschenrechten und sexueller Selbstbestimmung zu verzeichnen sind, bestehen durchaus Ungleichheiten, Ausschlüsse und Diskriminierungen auf struktureller wie institutioneller Ebene weiter fort, die es zu bearbeiten gilt.

 (Weiterführende) Literatur:

Becker-Schmidt, Regina (2010): Doppelte Vergesellschaftung von Frauen: Divergenzen und Brückenschläge zwischen Privat- und Erwerbsleben. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.) unter Mitarbeit von Budrich, Barbara/Lenz, Ilse/Metz-Göckel, Sigrid/Müller, Ursula/Schäfer, Sabine: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie. 3. Erweiterte und durchgesehene Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaft, S. 65-74.

Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) (2019): We are Feminists! Eine kurze Geschichte der Frauenrechte. Mit einem Vorwort von Margarete Stokowski. Bonn.

Butler, Judith (1990): Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity. New York u. a.: Routledge.

Böll. Thema 2/2018: Demokratie braucht Feminismus. Online verfügbar unter: https://www.boell.de/de/2018/07/02/boellthema-22018-demokratie-braucht-feminismus. Letzter Zugriff: 02.08.2022.

Gerhard, Ute (2018): Frauenbewegung und Feminismus. Eine Geschichte seit 1789. 3., aktualisierte Aufl. München: C.H. Beck.

Gerhard, Ute/ Pommerenke, Petra/ Wischermann, Ulla (2008): Einleitung. In: dies. (Hrsg.): Klassikerinnen feministischer Theorie. Grundlagentexte Band I (1789-1919). Königstein/Taunus: Ulrike Helmer, S. 9-13.

Holland-Cunz, Barbara (2018): Was ihr zusteht. Kurze Geschichte des Feminismus. In: APuZ 17/2018 [(Anti-)Feminismus], S. 4-11. Online verfügbar unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/267949/anti-feminismus/. Letzter Zugriff: 02.08.2022.

Karl, Michaela (2020): Die Geschichte der Frauenbewegung. 6., aktual. u. erw. Auflage. Ditzingen: Reclam.

Karsch, Margret (2016): Feminismus. Geschichte – Positionen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).

Lenz, Ilse (2019): Feminismus: Denkweisen, Differenzen, Debatten. In: Kortendiek, Beate/Riegraf, Birgit/Sabisch, Katja (Hrsg.): Handbuch interdisziplinäre Geschlechterforschung, Bd. 1. Wiesbaden: Springer VS, S. 231-241.

Lenz, Ilse (2019): Internationale und transnationale Frauenbewegungen: Differenzen, Vernetzungen, Veränderungen. In: Kortendiek, Beate/Riegraf, Birgit/Sabisch, Katja (Hrsg.): Handbuch interdisziplinäre Geschlechterforschung, Bd. 2. Wiesbaden: Springer VS, S. 901-910.

Lenz, Ilse (2018): Von der Sorgearbeit bis #metoo: Aktuelle feministische Themen und Debatten in Deutschland. In: APuZ 17/2018 [(Anti-)Feminismus], S. 20-27. Online verfügbar unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/267949/anti-feminismus/. Letzter Zugriff: 02.08.2022.

Thiessen, Barbara (2010): Feminismus: Differenzen und Kontroversen. In: Becker, Ruth/Kortendiek, Beate (Hrsg.) unter Mitarbeit von Budrich, Barbara/Lenz, Ilse/Metz-Göckel, Sigrid/Müller, Ursula/Schäfer, Sabine: Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung: Theorie, Methoden, Empirie. 3. erweiterte und durchgesehene Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaft, S. 37-44.Schulz, Kristina (2019): Frauenbewegungen im deutschsprachigen Raum: Geschlecht und soziale Bewegung. In: Kortendiek, Beate/Riegraf, Birgit/Sabisch, Katja (Hrsg.): Handbuch interdisziplinäre Geschlechterforschung, Bd. 2. Wiesbaden: Springer VS, S. 911-920.

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