„Verbraucher müssen die ständige Chance auf Information und Bildung haben“

Kirsten Schlegel-Matthies, Professorin in unserem Institut für Ernährung, Konsum und Gesundheit, ist kürzlich als eine von neun Experten/innen in den neuen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen der Bundesregierung berufen worden. Wir haben sie zu ihrer neuen Rolle und ihren Anliegen befragt.

Frau Schlegel-Matthies, noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Berufung in den Sachverständigenrat. Wie kommt man eigentlich zu dieser Ehre?

„Das weiß ich eigentlich gar nicht so genau (lacht). Na ja, ich bin ja schon fast 15 Jahre im Bereich Verbraucherforschung und -bildung tätig und in Netzwerken auf regionaler und nationaler Ebene aktiv. Dann ist der Name schon irgendwann bekannt.“

Und wie haben Sie von der Berufung erfahren?

„Ich habe eine E-Mail vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherbildung (BMJV)  bekommen, mit der Bitte um einen Telefontermin. Und dann hat mich ein Referent angerufen und mir erklärt, dass der aktuelle Koalitionsvertrag die Einrichtung eines Sachverständigenrats vorsehe – und hat mich als Expertin dafür angefragt. Ich habe ziemlich schnell ja gesagt, denn in so einem Gremium mitzuwirken, ist ja toll – und eine wissenschaftliche Herausforderung.“

Wie können Sie denn konkret wirken? Was sind die Aufgaben des Rates?

„Es geht allgemein darum, in Verbraucherthemen zu beraten, Empfehlungen und Stellungnahmen abzugeben. Basis dafür sind im jährlichen Wechsel  Gutachten zur Lage der Verbraucher und zu ausgewählten Verbraucherthemen, die wir erstellen.“

Welche Themen könnten das sein? Werden sie von der Politik vorgegeben?

„Nein, wir sind da vollkommen frei und unabhängig. Unsere erste Aufgabe im Januar wird sein, Themen und Schwerpunkte für das Gutachten von 2015 festzulegen. Das könnten zum Beispiel der Umgang mit neuen Medien oder Finanzdienstleistungen sein. Dann beginnen wir unsere Studien. Wir treffen uns monatlich in der Geschäftsstelle in Berlin, um die Untersuchungsergebnisse zu besprechen und zu diskutieren, wo politischer Handlungsbedarf besteht. Ob zum Beispiel Verbraucher in bestimmten Bereichen durch gesetzliche Regelungen zusätzlichen Schutz erfahren müssen.“

Also kann es gut sein, dass hier an der Uni Paderborn demnächst unter Ihrer Leitung Forschung stattfindet, die Grundlage für neue Verbraucherschutzgesetze ist.

„Ja durchaus. Es kommt aber auf die Schwerpunkte an, die haben wir ja noch nicht festgelegt. Und es müssen auch nicht immer direkt Gesetze sein, die wir empfehlen. Ein Staat sollte nicht überregulieren. Wir diskutieren auch viel – das haben wir bei der konstituierenden Sitzung schon getan – über die Eigenverantwortung von Verbrauchern. Für das Leben dieser Eigenverantwortung müssen aber wiederum gute Rahmenbedingungen geschaffen werden, d.h. Verbraucher müssen die Chance haben, sich umfassend zu informieren. Wir werden daher der Politik vor allem auch Empfehlungen für andere verbraucherpolitische Instrumente und Vorschläge zur Verbraucheraufklärung durch  Bildung, Beratung und Information  geben.“

In Ihrer Forschung hier an der UPB beschäftigen Sie sich vor allem mit der Schule als Ort für Verbraucherbildung. Sie hätten ja jetzt die Chance, als Sachverständige Ihre Anliegen in der Politik zu platzieren.

„Ja. Das Wissen darüber, wie Wirtschaft und Markt funktionieren und welche Rolle ich in der Gesellschaft als Konsument habe, wie ich auch persönlich mit Geld und Konsum umgehe, muss aus meiner Sicht schon Bildungsziel in der Schule sein und in alle Schulfächer einfließen. Da wäre mehr Einfluss auf die Lehrpläne wünschenswert. Auf Haupt-, Real- und Gesamtschulen gibt es das Fach Hauswirtschaft, in dem solche Themen behandelt werden, an Gymnasien fehlt auch das. Aber auch über die Schule hinaus müssen Verbraucher ständig informiert und sensibilisiert werden. Dafür gilt es neue bedarfsgerechte Formate und Angebote zu entwickeln.“ 
 
Wie können solche Bildungsformate aussehen?

„Ich denke, da müssen wir die neuen Medien und das geänderte Informationsverhalten junger Menschen viel stärker in den Blick nehmen. Man könnte beispielsweise über interaktive Angebote, die Entwicklung von Verbraucherapps usw. nachdenken.“

Vielen Dank für das nette Gespräch.

Interview: Frauke Döll

Foto (Universität Paderborn, Frauke Döll): Prof. Dr. Kirsten Schlegel-Matthies, Expertin für Verbraucherforschung und -bildung, berät ab Januar die Bundesregierung.
Foto (Universität Paderborn, Frauke Döll): Prof. Dr. Kirsten Schlegel-Matthies, Expertin für Verbraucherforschung und -bildung, berät ab Januar die Bundesregierung.