Roman Marek

Roman Marek, Dr. phil., von 2008 bis 2011 am Graduiertenkolleg „Automatismen“ der Universität Paderborn, Promotion 2012 über die Video-Kultur im Internet: „Die Zirkulation der Videobilder. Automatismen der Wiederholung bei YouTube & Co.“ Davor Studium von International Business & Management Studies in Amsterdam und Dortmund (2003), anschließend Osteuropastudien (Kultur & Politik) an der Freien Universität Berlin mit einer Abschlussarbeit (2007) über die BRD und DDR Modefotografie.
Forschungsschwerpunkte: Visuelle Kultur, Neue Medien, Marketing und Begriffsgeschichte.


Projektbeschreibung
Die Zirkulation der Videobilder. Automatismen der Wiederholung bei YouTube & Co.

Amateurvideos im Internet – meist verkürzt auf das Stichwort ‚Youtube’ – werden in der Öffentlichkeit wie in den Medienwissenschaften gegenwärtig intensiv diskutiert. Die Dissertation nähert sich diesem Gegenstand unter neuer Perspektive: Innerhalb der Videoplattformen greifen Distribution, Organisation, Zugänglichkeit und Vernetzung ineinander; die Videobilder geraten in einen Prozess der Zirkulation, der bislang noch kaum ins Blickfeld der Forschung gelangt ist. 

Das entscheidend Neue besteht darin, dass sich die laufenden Austauschprozesse auf die visuelle Gestalt der in Zirkulation befindlichen Videofilme auswirken. Bereits veröffentlichte Videos werden weiterbearbeitet, umgeformt und tauchen in immer neuen, abweichenden Versionen auf; auf diese Weise entsteht eine Art Dialog, den es auf dem Gebiet von Video, Film und Fernsehen so noch nicht gab und den man möglicherweise mit dem Begriff der Evolution umschreiben kann; ein Videoclip passt sich an und entwickelt sich weiter. Die Ausgangsfrage war, was die Faszination am vermeintlich oder tatsächlich Banalen bewirkt und damit Auslöser für die rege Beteiligung der Nutzer sein könnte. Untersucht wurde, ob Automatismen, d.h. hinter dem Rücken der Beteiligten wirkende Prozesse, die Nutzer in den Sog des Netzes hineinziehen und „fesseln“.
 
Vorgehensweise
Das Augenmerk wurde auf das Medium selbst und seine Grundfunktionen gerichtet: Übertragen, Speichern, Prozessieren. Statt die Nutzermotivation zu recherchieren oder reine Inhaltsanalysen zu machen, wurde unter den zahlreichen und äußerst verschiedenartigen Videoclips nach Mustern ästhetischer Auffälligkeiten gesucht.
 
Ausgehend von diesen formalen Besonderheiten gelang es, eine ordnende Struktur zu finden und typische Medienpraxen herauszufiltern. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um unerwartete, deviante Formen des Nutzerverhaltens, die zwischen Zerstörung, Intervention, Produktion, Wiederholung und Nachahmung oszillieren. An die zentrale Position rückte dabei der Begriff der Wiederholung:
 
Typ 1: Die scheinbar identische Wiederholung – der »Videoklon«
 

Abb. 1: Korruption symbolischer Prozesse bei verschiedenen Videoklonen
 
 
Typ 2: Die ikonoklastische Wiederholung – das »Recyclingvideo«
 

Abb. 2: Von der bewussten Modifikation zur Spur – das Recyclingvideo 

   
Typ 3: Die nachahmende Wiederholung – die Parodie
 

Abb. 3: Wiederholung als Aufgreifen bestimmter Ideen – die Parodie
 
 
Ergebnisse
In den unzähligen Recyclingvideos drückt sich aus, dass nicht nur das Material an sich fasziniert, sondern ebenso das Erkennen der potentiellen Möglichkeit einer individuellen Wieder- und Weitergabe, Teilhabe und Modifikation. Die zirkulierenden Videobilder machen deutlich, wie mit steigendem Maß an Wiederholung und Wiederholbarkeit Prozesse in Gang kommen, die Redundanz und Varianz miteinander verknüpfen. Diese Automatismen der Wiederholung verflüssigen in ihrer Beharrungskraft zu starke Medien, d.h. sie erhöhen deren Plastizität. Andererseits fördern sie jedoch ebenso eine Verfestigung in zuvor nicht vorhersagbaren Formen und Richtungen, die gleichermaßen kumulativer Anhäufung wie einer Laune entsprungen zu sein scheinen. Die Dissertation ist unter dem Titel Understanding YouTube. Faszination und Plastizität eines Mediums im transcript Verlag erschienen.
 

 
 


In English

Roman Marek, PhD, 2008-2011 member of a Post-Graduate Research Programme on “Automatisms“ at the University of Paderborn. The doctoral thesis examines the video culture of the Internet: “The formal evolution of video clips. YouTube as a system of circulation, recycling and production”. Diplom-Betriebswirt (FH), equivalent to Business Graduate, University of applied sciences Dortmund (2003), B.A. in International Business & Management Studies, Amsterdam (2003), M.A. in East European Studies (Cultural Studies and Political Science) Freie Universität Berlin, master thesis on fashion photography in the GDR and West Germany under a comparative aspect (2007).


Project Outline

The formal evolution of video clips. YouTube as a system of circulation, recycling and production.


This dissertation project will examine the creation and distribution of user-generated content via video-sharing web pages like YouTube, the circulation established within these communities, its impact on the audio-visual material itself, and the new dimension these practices add to the notion of collective creativity. The digitalisation of video material allows endless data-editing, and the Internet maximises accessibility. The combination of these characteristics leads to a phenomenon that has been unknown in the field of visual media until now: the appearance of different video versions composed of the same material, i.e. recycled-, remix- or mash-up-videos. It seems as if the material itself changes, adapts and evolves as soon as it is released on the Internet. However, the use of the term evolution also implies that the user is losing ground: Instead of being active and emancipated, the user makes up just a small part of a bigger process which they cannot control.

 

Marek, Roman (2009): ‚Weltraumhunde im Kalten Krieg: Laika als Versuchstier, Propagandawaffe und Heldin‘, in: Pöppinghege, Rainer (Hg.): Tiere im Krieg. Von der Antike bis zur Gegenwart. Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag. S. 251-268.
 
Bublitz, Hannelore; Marek, Roman; Steinmann, Christina Louise; Winkler, Hartmut (Hrsg.): Automatismen. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag. (2010) 
 
Darin folgende Beiträge zum Thesenbaukasten:

- Von äußeren Zwängen determinierte Prozesse resultieren in einer Anpassung, nicht in einem Automatismus. Automatismen brauchen mögliche Alternativen.

- Automatische Prozesse können nicht mit Automatismen gleichgesetzt werden, denn auch im Bereich des Unbewussten gibt es Zwänge, die unter Umständen determinierend wirken.

- Automatisierungen lassen sich Ent-Automatisieren, Automatismen hingegen scheinen sich ihrer Entautomatisierung fortwährend zu entziehen.

- Bei einer Konditionierung handelt es sich zwar um einen automatischen Prozess, nicht aber um einen Automatismus.
  
  
Marek, Roman (2011): Creativity meets circulation: internet videos, amateurs and the process of evolution, in: Fischer, Gerhard; Vassen, Florian (Hg.): Collective Creativity. Collaborative Work in the Sciences, Literature and the Arts. Amsterdam, New York: Editions Rodopi. S. 205-225.
 
Marek, Roman (2012): ‚Der »Klon« und seine Bilder. Über Faszination und Ästhetik in der Begriffsgeschichte‘, in: E-Journal Nr. 2. Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte. Herausgeber: Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin, S. 15-44.
 
Marek, Roman (2013): Understanding YouTube. Faszination und Plastizität eines Mediums. Bielefeld: transcript Verlag.

Marek, Roman (2014): Automatismen der Begriffsgeschichte. Der „Klon“ und seine Metamorphosen, in: Eke, Norbert Otto; Foit, Lioba; Kaerlein, Timo; Künsemöller, Jörn (Hg.): Logiken strukturbildender Prozesse: Automatismen. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag. S. 81-109.

Peine, Michael; Marek, Roman M.; Löhning, Max (2016): IL-33 in T Cell Differentiation, Function, and Immune Homeostasis, in: Trends in Immunology, Vol. 37, Issue 5, S. 321–333.

 

 

Panel Diskussion: Interventionen im Digitalen Raum - Netzkultur und Netzaktivismus.

Konferenz: Internationalen Symposium Interventionen, Paderborn: 28.10.2010 – 31.10.2010. 
 
Automatismen formaler Evolution. Phänomene der Strukturbildung jenseits der Motivation einzelner Nutzer.
Konferenz: Der User als Produzent, Hessische Film- und Medienakademie & Goethe-Universität Frankfurt/Main: 15.10.2010 – 16.10.2010.
 
First cosmonaut Laika: A veteran of the cold war persists on Flickr, YouTube and the infinite space of the Internet.
Konferenz: 9th Annual Aleksanteri Conference 2009: Cold War Interactions Reconsidered, Helsinki: 29.10.2009 – 31.10.2009.
 
Creativity meets circulation: internet videos, amateurs and the process of evolution.
Konferenz: Collective Creativity - The Sydney German Studies Symposium 2009, 23.07.2009 – 26.07.2009.
 
Wenn der Rezipient zum Produzenten wird: Die Zirkulation der Videobilder auf YouTube.
Konferenz: Amateure im Web 2.0: Medien, Praktiken, Technologien, Wien: 24.04.2009 – 25.04.2009.

Laika: First cosmonaut and space hero.

Konferenz: Cosmic enthusiasm: The cultural impact of space exploration on the Soviet Union and Eastern Europe since the 1950s, Basel: 22.01.2009 – 24.01.2009.

Der visualisierte Anerkennungsdiskurs. YouTube als Ort der Zirkulation und Verhandlung.
Konferenz: Zwischen Normativität und Normalität. Theorie und Praxis der Anerkennung in interdisziplinärer Perspektive, Bremen: 23.10.2008 – 25.10.2008.