Die Mathematik des Zufalls

Prof. Dr. Thomas Richthammer erforscht die Zusammenhänge zwischen Stochastik und mathematischer Physik

Was haben gefrorenes Wasser und Stochastik miteinander zu tun, wie kommt Ordnung in ein chaotisches System und wie berechenbar sind Ereignisse, die eigentlich als zufällig gelten? Prof. Dr. Thomas Richthammer, seit Oktober 2016 Professor am Institut für Mathematik, widmet seine Forschung derartigen Fragestellungen – und sucht nach Antworten auf dem Gebiet der Stochastik. Mit seiner Grundlagenforschung möchte er mathematisches Verständnis für die Prozesse in der Natur generieren und vermitteln.

Als Teilgebiet der Stochastik befasst sich die Forschung von Richthammer mit statistischer Physik, insbesondere mit räumlichen Strukturen wie etwa Teilchensystemen. Was zunächst abstrakt und höchst theoretisch klingt, wird am Beispiel Wasser konkret: Im flüssigen Zustand bewegen sich die Teilchen scheinbar zufällig und willkürlich. Geschwindigkeit und Position sind dabei fast unmöglich zu bestimmen. Zwar sei der atomare Aufbau von Wasser längst bekannt, bislang gebe es aber keine Beweise dafür, wie sich die Teilchenanordnung bei einem Parameterwechsel verhält. „Dies ist der Fall, sobald sich der Aggregatzustand von flüssig zu fest ändert – nämlich beim Einfrieren“, erklärt Richthammer. „Dann wird aus einem chaotischen System ein geordnetes.“ Die Frage, die es nun zu beantworten gilt, ist, wie sich die An- bzw. Neuordnung der Teilchen konkret vollzieht.

„Die Erklärung dafür erfordert eine stochastische Betrachtung, die dann bestimmt, was die Wahrscheinlichkeiten wie ändert. Schließlich gibt es ein System, das mit hoher Wahrscheinlichkeit willkürlich ist (flüssiges Wasser) und eins, das mit hoher Wahrscheinlichkeit unwillkürlich ist – das gefrorene Wasser“, erklärt der Mathematiker. „Kleine Veränderungen von Parametern haben große Auswirkungen auf ein System. Davon hängt ab, wie sich der Zufall verhält. Dies wiederum ändert die Wahrscheinlichkeitsverteilungen.“

Die Natur bietet gleichzeitig die Erklärungsgrundlage für komplexe gesellschaftliche oder wirtschaftliche Zusammenhänge: Künftig könnten die Arbeiten von Richthammer auch auf Finanz- und Aktienmärkte übertragen werden. In diesem Fall würden etwa die Entstehung von Finanzblasen oder Aktiencrashs im Fokus stehen. Allerdings, so der Mathematiker, gelte sein primäres Interesse der Erforschung von naturwissenschaftlichen Phänomenen – und wie sich diese mit stochastischen Methoden beschreiben lassen. 

Text: Nina Reckendorf

Foto (Universität Paderborn, Nina Reckendorf): Prof. Dr. Thomas Richthammer erforscht die Zusammenhänge zwischen Stochastik und mathematischer Physik