Der körperliche Aspekt von Bildungsprozessen

Jun.-Prof. Dr. Antje Langer untersucht, welche Rolle Körper und Geschlecht im Unterricht spielen

Wie wird in der Schule mit Körperlichkeit umgegangen? Wie können Körperbilder und Sexualität thematisiert und ein positives Körpergefühl vermittelt werden? Antje Langer, Juniorprofessorin im Institut für Erziehungswissenschaften an der Fakultät für Kulturwissenschaften, will angehende Lehrkräfte für die leibliche Dimension der Pädagogik sensibilisieren.

Dazu analysiert sie zum Beispiel Videoaufnahmen von Unterricht in verschiedenen Schulformen und arbeitet Unterschiede im Umgang mit Körperlichkeit heraus: „An Hauptschulen sind Berührungen, z. B. ein bestätigendes Schulterklopfen, sehr viel häufiger als pädagogisches Mittel zu beobachten als an Gymnasien, wo sie quasi gar keine Rolle spielen. Körperlichkeit hat scheinbar auch etwas mit der sozialen Schicht und der Zuschreibung unterschiedlicher Bedürfnissen zu tun.“

Generell würden Lehrer/innen Körperkontakt im Unterricht eher vermeiden, erklärt Antje Langer. „Das ist auch verständlich bei den öffentlichen Diskursen vor allem nach den bekannt gewordenen Fällen von sexueller Gewalt an pädagogischen Institutionen. Und es ist auch eine schwierige Frage, welche Nähe zulässig ist und ab wann Berührung zu einer Grenzverletzung wird. Dennoch plädiere ich dafür, Körperkontakt im Rahmen zuzulassen und nicht komplett abzulehnen – das wäre pädagogisch ein falsches Signal: Körperliche Nähe ist ein menschliches Grundbedürfnis und der Umgang damit muss gelernt werden.“

Stigmatisierungen durch ideale Körperbilder

Körperlichkeit im Unterricht macht sich für Antje Langer auch an verbreiteten Körperidealen fest: Diese will sie entlarven und damit Stigmatisierungen entgegenwirken. „Das beginnt schon beim Stillsitzen: Das Ideal ist der disziplinierte Körper, der die ganze Schulstunde lang still auf dem Stuhl sitzen bleibt und konzentriert lernt. Schüler/innen, die das nicht gut können, haben da schon ein Problem.“ Pädagogische Konzepte wie die „Bewegte Schule“, bei der Bewegung nicht nur in den Sportunterricht sondern in alle Fächer integriert wird, wären allenfalls an Grundschulen anzutreffen.

Unter Stigmatisierungen hätten vor allem auch übergewichtige Kinder zu leiden. „Die starke Dramatisierung von Übergewicht ist ein großer Ausgrenzungsfaktor.“ Für die diskriminierende Wirkung stereotyper Körperbilder sollten nach Antje Langer nicht nur die Lehrkräfte ein Bewusstsein entwickeln. Sie sollten auch im Unterricht gemeinsam mit den Schülern/innen thematisiert werden. „Es geht dann auch darum, ein eigenes positives Körperverständnis zu entwickeln. Das ist vor allem in der Pubertät wichtig, in der die Schüler/innen viele körperliche Veränderungen erleben und sehr unsicher sind.“  

Konservatives Verständnis von Sexualität und Geschlecht

Die Erziehungswissenschaftlerin forscht auch dazu, wie ein guter Sexualkundeunterricht aussehen kann. In einem aktuellen Forschungsprojekt untersucht sie sexualpädagogische Workshops, die von externen Beratungsstellen an Schulen durchgeführt werden. „Solche Angebote werden von Lehrer/innen, die zum Teil/typo3/ selbst unsicher in der Thematik sind, häufig in Anspruch genommen. Mich interessiert vor allem, wie sehr diese Workshops an Heterosexualität und andere Normen gekoppelt sind.“ Antje Langers These ist, dass eine Sexualpädagogik der Vielfalt, die auch in öffentlichen Debatten teilweise umstritten sei, sich auch in der Praxis noch lange nicht durchgesetzt hat.

Konservative Tendenzen sieht die Erziehungswissenschaftlerin auch allgemein im Umgang mit Geschlecht. „In den öffentlichen Diskursen ist trotz allen Fortschritts eine starke Retraditionalisierung zu spüren, also eine Rückkehr zu klassischen Rollenverständnissen und Familienverhältnissen. Im Internet findet sogar ein regelrechter anti-feministischer Kampf statt.“ Solche Diskurse seien auch in der Schule wahrnehmbar. Antje Langer beobachtet vor allem, wann Geschlecht im Unterricht eine Rolle zu spielen beginnt. Mit ihrer Forschung will sie auch hier Sensibilisierungsarbeit leisten und Benachteiligungen entgegenwirken.    

Text: Frauke Döll

Jun.-Prof. Dr. Antje Langer/ Foto: Universität Paderborn, Frauke Döll

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