"Kunst bedeutet für mich Leben"

Immer wieder tritt Emell Gök Che an diesem Morgen einen Schritt zurück, schaut sich ihre Bilder an und justiert nach bis alle Aufnahmen in einer Reihe hängen. Im Rahmen der Paderborner Fototage stellt sie zum ersten Mal die Arbeiten ihrer Serie „Spuren des Aufbaus“ aus – in der Uni Paderborn. In einem Interview spricht die Ehemalige der Uni über ihre Studienzeit, das Leben in drei verschiedenen Städten und die Kunst.

Wenn Sie sich an Ihr Studium in Paderborn erinnern: Woran müssen Sie dann denken?

Emell Gök Che: An Kakao und Croissants aus der Caféte oder dem Pub – daran denke ich als erstes (sie lacht). Das war auch mein erster Impuls heute Morgen: Ich muss mir noch unbedingt Kakao und ein Croissant holen. Nein, aber: Ich war fünf Jahre an Uni und habe so viele spannende Menschen kennengelernt – ich denke besonders an eine schöne und freie Zeit. Auch an einige Dozentinnen – ich hatte in der Kunst Seminare bei Professorinnen, die mich einfach mit ihren Persönlichkeiten sehr beeinflusst haben. Sie haben mir ein Bild von einer berufstätigen und selbstständigen Frau gegeben – und waren dabei so sehr menschlich. Das beeindruckt mich damals wie heute.

Sie arbeiten als Designerin, als Künstlerin und moderieren TV-Projekte: Hätten Sie während Ihres Studiums gedacht, dass Ihr Leben so verlaufen würde?

Emell Gök Che: Nein, das habe ich nicht gedacht. Ich bin aber auch ein Mensch, der sich wenig Gedanken um die Zukunft macht. Es ist doch so: Das Leben passiert, während du noch Pläne machst. Schon im Studium war bei mir so viel los. Meinen ersten Auftrag habe ich in dieser Zeit erhalten. Der Malermeister Ahle aus Paderborn hat mich und meine Arbeiten während einer meiner Ausstellungen entdeckt. Ja, und daraus ist dann eine Kooperation entstanden, die heute noch anhält. Damals habe ich Kleider aus Tapeten entworfen. Und dann noch weitere knapp 10 Jahre lang. Nebenbei.

Ich glaube, dass sich jeder Student Vorstellungen von seiner Zukunft nach dem Studium ausmalt: Wie sahen Ihre damals aus?

Emell Gök Che: Ich habe schon früh festgestellt, bereits im zweiten Semester, das ich irgendwann mal freiberuflich arbeiten möchte. Das ist für mich das Leben: Jeder Monat sieht bei mir anders aus, es ist nichts geregelt. Mal läuft’s gut, mal ein bisschen schlechter. Das gehört dazu. Aber trotz dieser Freiheiten brauche ich auch Konstanten – und die finde ich in Paderborn. 

Sie leben in drei Städten, die kulturell gar nicht unterschiedlicher sein könnten: In Berlin, Paderborn und Istanbul. Was zieht Sie immer wieder zurück nach Paderborn?

Emell Gök Che: Natürlich habe ich eine starke emotionale Bindung zu Paderborn, weil hier meine Familie lebt. Vor einigen Jahren war Paderborn noch vielmehr ein Ort der Ruhe für mich – besonders wegen des ganzen Reisens. Aber heute ist Paderborn eher ein aktiver Ort. Hier habe ich mein Atelier, hier entstehen viele Ideen, hier werden Ideen umgesetzt.

Inspiriert Sie das Leben in drei Städten?

Emell Gök Che: Ja, klar. Man lebt viel freier und unkonventioneller. Außerdem begegnet man vielen Menschen und Eindrücken. Ich habe in jeder dieser drei Städte eine Wohnung und jede ist anders eingerichtet. Drei Städte, drei Leben. Dreifach gut.

Eine letzte Frage: Was bedeutet Kunst für Sie?

Emell Gök Che: Ganz kurz?! Die Kunst bedeutet für mich Leben. Ich finde, die Kunst steht so nah am Leben. Alles, was ich beobachte, was mir im Leben auffällt oder was mich beschäftigt, fließt in meine Kunst mit ein. Das bestimmt auch die Themen meiner künstlerischen Arbeit. Alle meine Arbeiten haben ein sowohl soziale Komponente als auch persönliche Seite. Aber es dauert bis ich schließlich ins Atelier gehe: Der Kunst gehen so viele Gedanken voraus, die man lange mit sich trägt, das ist ein Prozess mit einer ganz eigenen Dynamik. Langwierig und intensiv. Eben auch so, wie ich es mag.

(Das Interview ist im Juni 2015 geführt worden.)