Prof. Dr. Car­en Sureth-Sloane von der Uni­versität Pader­born in der Süd­deutschen Zei­tung zur Steuerkom­plex­ität: Steuer­liche Risiken können mit­entscheiden, wie at­trakt­iv ein Land als Un­ternehmens- und In­vest­i­tionsstan­dort ist

Im Wirtschaftsteil der Hauptausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 20. September 2021 erläutert Caren Sureth-Sloane, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Paderborn, die Problematik zunehmender steuerlicher Komplexität insbesondere vor dem Hintergrund internationaler Bemühungen zur Einführung neuer vereinheitlichter globaler Steuerverteilungsregeln und einer globalen Mindeststeuer.

So spricht sich Caren Sureth-Sloane in ihrem Artikel „Das Steuersystem wird komplexer“ grundsätzlich für das gemeinsame internationale Vorgehen gegen Steuervermeidung aus. Sie benennt die wichtigsten Ziele dieser internationalen Bemühungen, wie etwa eine Besteuerung vor Ort der Wertschöpfung, die Schaffung von steuerlicher Sicherheit und international einheitlicher Steuerregeln sowie die Vermeidung von Doppelbesteuerung. Sureth-Sloane benennt aber auch „unerwünschte Nebeneffekte“, die aus einem solchen internationalen Konsens resultieren können. Denn aufgrund der unterschiedlichen steuerlichen Realitäten in verschiedenen Ländern entstünden bei der Aushandlung neuer globaler Steuerregeln immer wieder Unschärfen und Kompromisse. Aufgrund sich schnell transformierender Geschäftsmodelle werden diese zudem auch künftig regelmäßig neu ausgehandelt werden müssen. Zunehmend komplexe steuerliche Regelungen und Rahmenbedingungen seien die Folge.

Dass das Steuersystem bereits seit einigen Jahren immer komplexer wird, bestätige der globale Steuerkomplexitätsindex (Global MNC Tax Complexity Survey), für dessen Erhebung alle zwei Jahre Steuerberatungsgesellschaften weltweit befragt werden. Sureth-Sloane: „Damit steigt auch die Unsicherheit, welche Steuerlasten auf die Unternehmen zukünftig zukommen. Das ist schlecht für Investitionen. Obwohl Steuersicherheit und -vereinfachungen seit Langem oben auf der Agenda der Staaten stehen, ist der Anstieg der Steuerkomplexität in vielen Ländern, auch in Deutschland, ein Trend, der sich nun schon über etliche Jahre fortsetzt.“

Als den weltweit komplexesten Bereich steuerlicher Regulierung identifiziere die o. g. Befragung die steuerlichen Verrechnungspreise. Diese dienen multinationalen Konzernen zur Abrechnung von Gütern und Dienstleistungen, die konzernintern mit den verbundenen Konzernunternehmen aus verschiedenen Ländern ausgetauscht werden. Im Gegensatz zu konzernexternen Transaktionen mit Marktpreisen, die von Angebot und Nachfrage bestimmt werden, bedarf es zur Ansetzung der konzerninternen Verrechnungspreise Regelungen. Die hiermit verbundene Komplexität habe diverse Ursachen. So hätten z. B. Regulierungsmängel Uneindeutigkeiten zur Folge, auch könnten in den beteiligten Staaten die Regeln uneinheitlich angewendet werden. Gestiegen sei zudem der Umfang an Dokumentationspflichten, aber auch die Unklarheit, wie die dokumentierten Daten die Beurteilung steuerlicher Sachverhalte beeinflussen. Die daraus oftmals entstehenden langwierigen Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Steuerbehörden gehören zu den wesentlichsten Komplexitätstreibern. Wenn eine Streitschlichtung ausbleibt, riskieren Unternehmen eine Doppelbesteuerung.

Caren Sureth-Sloane konstatiert, dass es jedoch unklar sei, wie die eingangs genannten Ziele – insbesondere die steuerliche Sicherheit und die Vermeidung von Doppelbesteuerung – international verlässlich erreicht werden können. Sie weist unter Bezugnahme auf internationale Studien darauf hin, „dass insbesondere komplexe Steuererklärungsprozesse und Betriebsprüfungen mit einer ungünstigen Einschätzung des Investitionsstandortes einhergehen“. Das gelte nicht nur für große multinationale Unternehmen. So habe eine Erhebung unter kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland ergeben, dass rund 90 Prozent der Befragten das deutsche Steuersystem als zu komplex ansehen. Etliche Befragte hätten zudem angegeben, „dass ihre Investitionstätigkeit durch den hohen steuerlichen Verwaltungsaufwand und die hohe steuerliche Komplexität gehemmt wird“.

Abschließend betont Caren Sureth-Sloane, wie wichtig „verlässliche Rahmenbedingungen, Streitschlichtungsmechanismen sowie Vertrauen in den Staat“ sind, damit „stützende und stimulierende steuerliche Maßnahmen auch wirken“. Bei den anstehenden Reformbemühungen und -aushandlungen sowie als Kern einer Ordnung internationaler Besteuerung misst Caren Sureth-Sloane der Steuersicherheit eine entscheidende Bedeutung bei. Unverzichtbar, sowohl auf Ebene der jeweiligen Staaten als auch supranational, seien „daher eine einheitliche Implementierung der neuen Regeln sowie effektive und einfache Wege der Vorabklärung und Streitschlichtung“.

Weitere Informationen zur SZ:
Süddeutsche Zeitung   |   Hauptausgabe, Ressort: Wirtschaft   |   20.09.2021   |   Seite 18
„Das Steuersystem wird komplexer“, von Caren Sureth-Sloane

Weitere Informationen zum SFB „Accounting for Transparency“:
www.accounting-for-transparency.de

(Universität Paderborn): Prof. Dr. Caren Sureth-Sloane hat die Professur für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Paderborn inne und ist Sprecherin des DFG-Sonderforschungsbereichs „Accounting for Transparency“